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2012

„Ich bin überzeugt, dass ein Festspiel jedes Jahr einmalig sein sollte“, sagte Alexander Pereira auf der Pressekonferenz zu seinem ersten Programm für das Jahr 2012. Schon vor seinem Antrittssommer konnte der neue Intendant Erfolge verbuchen: Die künstlerische Neuausrichtung der Pfingstfestspiele unter der von ihm bestellten Leiterin Cecilia Bartoli wurde von Publikum und Presse hervorragend angenommen. Darüber hinaus konnte das Unternehmen Rolex als neuer Sponsor der Pfingst- und Sommerfestspiele gewonnen werden.

Die Salzburger Festspiele 2012 begannen bereits am 20. Juli und damit sieben Tage vor der offiziellen Eröffnung durch den Bundespräsidenten Heinz Fischer mit Joseph Haydns Schöpfung in der Interpretation von Sir John Eliot Gardiner und The English Baroque Soloists. Es war dies die erste Veranstaltung der von Alexander Pereira ins Leben gerufenen Reihe Ouverture spirituelle, die zum Auftakt der Sommerfestspiele die geistliche Musik in den Mittelpunkt stellt. Neben der christlichen Tradition, so die Idee des Intendanten, sollte jedes Jahr eine andere Weltreligion ihre musikalische Tradition in Salzburg präsentieren. 2012 war die jüdische Religion Gegenstand der künstlerischen und – im Rahmen von Diskussionsveranstaltungen – der intellektuellen Auseinandersetzung. Unter der Leitung von Zubin Mehta führte etwa das Israel Philharmonic Orchestra in der Felsenreitschule Arnold Schönbergs Kol Nidre und Noam Sheriffs Symphonie Mechaye Hametim auf. Neben der Ouverture spirituelle bildeten im Konzertprogramm die Reihe Über die Grenze, die den Komponisten Antonín Dvořák in den Mittelpunkt stellte, und die Reihe Salzburg contemporary, die Bernd Alois Zimmermann, Witold Lutosławski und Heinz Holliger gewidmet waren, weitere neue Schwerpunkte.

Die erste Oper des Sommers war W. A. Mozarts Zauberflöte in der Inszenierung von Jens-Daniel Herzog. Nikolaus Harnoncourt erarbeitete seine musikalische Neudeutung von Mozarts Spätwerk mit dem Concentus Musicus Wien erstmalig auf historischen Instrumenten für die Felsenreitschule. Anlässlich des 200. Todestages von Emanuel Schikaneder wurde 2012 auch dessen „zweyter Theil“ der Zauberflöte, die von Peter von Winter komponierte Oper Das Labyrinth, erstmals in Salzburg aufgeführt. Das Team rund um Regisseurin Alexandra Liedtke und Dirigent Ivor Bolton belebte für die Inszenierung den Residenzhof als Opernspielstätte wieder. Ermöglicht wurde das Bespielen dieses einzigartigen Bühnenraumes auch durch eine neue Dachkonstruktion, die bei Schlechtwetter nahezu geräuschlos geschlossen werden kann. Mit der Aufführung der Ariadne auf Naxos in ihrer Urfassung nahm Regisseur Sven-Eric Bechtolf hundert Jahre nach der Uraufführung einen Gedanken der Schöpfer der Oper, Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss, auf: die unterschiedlichen Sparten Theater, Musik, Gesang und Tanz in einem Werk zu verbinden. Bechtolf erstellte für die Produktion der Salzburger Festspiele eine eigene Fassung, die im Gegensatz zur heutigen Aufführungspraxis Molières Schauspiel Der Bürger als Edelmann und die Ballettmusiken einbindet. Die Wiener Philharmoniker waren unter der Leitung von Riccardo Chailly zu hören, Jonas Kaufmann gab sein Rollendebüt als Bacchus. Begleitet wurde die Neuproduktion in den Ariadne-Matineen durch Lesungen aus Briefwechseln Hugo von Hofmannsthals sowie aus Walter Kappachers Hofmannsthal-Roman Der Fliegenpalast. Einen weiteren programmatischen Schwerpunkt legte Alexander Pereira auf die zeitgenössische Oper. 2012 standen Bernd Alois Zimmermanns Soldaten auf dem Spielplan. Die Neuproduktion unter der musikalischen Leitung von Ingo Metzmacher und in der Regie des lettischen Regisseurs Alvis Hermanis, der erstmals eine Oper inszenierte, wurde bei Presse und Publikum zum umjubelten Erfolg der Saison. Große Zustimmung erhielt auch Giacomo Puccinis La bohème in der Inszenierung von Damiano Michieletto. Daniele Gatti dirigierte die Wiener Philharmoniker, als Mimì und Rudolfo waren Anna Netrebko und Piotr Beczala zu erleben. Als dieser vor der Aufführung am 4. August erkrankte, war in der Vorstellung der wohl luxuriöseste Ersatz zu hören: Jonas Kaufmann übernahm kurzfristig die Partie und sang am Notenpult, während Piotr Beczala auf der Bühne agierte. Von den Osterfestspielen übernahm Alexander Pereira Georges Bizets Carmen in den Spielplan, Cecilia Bartoli konnte den überwältigenden Erfolg von Georg Friedrich Händels Giulio Cesare im Sommer wiederholen. Die konzertante Aufführung von Händels Tamerlano brachte ein Debüt für Plácido Domingo, der in der Partie des Bajazet erstmals mit einem Originalklangensemble, den Musiciens du Louvre Grenoble, zu hören war. Die zweite konzertante Opernproduktion war einer weniger bekannten Mozart-Oper, Il re pastore, gewidmet. William Christie interpretierte das Werk mit dem Orchestra La Scintilla der Oper Zürich, Rolando Villazón übernahm die Rolle Alexanders des Großen.

Dem ersten Programm von Schauspieldirektor Sven-Eric Bechtolf ging eine grundsätzliche Überlegung voraus: „Festspiele sind die Sonntage des Theaters, wenn ihr Programm exemplarisch ist. Dies kann aber nur erreicht werden, wenn es die Polyphonie von unterschiedlichsten Künstler/innen, Werken, Interessen und Spielarten nicht nur zulässt, sondern befördert und bewusst repräsentiert.“ Dieser Polyphonie trug seine erste Saison Rechnung. Neben der Wiederaufnahme des Jedermann in der Inszenierung von Christian Stückl präsentierte Bechtolf in Koproduktion mit dem Burgtheater eine Neuinszenierung von Heinrich von Kleists Prinz Friedrich von Homburg in der Regie von Andrea Breth mit Peter Simonischek und August Diehl im Salzburger Landestheater. Im Sinne einer Internationalisierung des Theaters beauftrage Sven-Eric Bechtolf die englische Regisseurin Irina Brook mit der Produktion von Henrik Ibsens Peer Gynt auf der Perner-Insel in Hallein. Dort war auch Irina Brooks erfolgreiche Inszenierung von Shakespeares La Tempête (Der Sturm) in der französischen Fassung der Regisseurin zu sehen. Der französische Regisseur Nicolas Liautard erarbeitete gemeinsam mit der Musicbanda Franui ein Auftragswerk der Salzburger Festspiele, Händl Klaus’ „Musik-Stück“ Meine Bienen. Eine Schneise. André Jung und Brigitte Hobmeier überzeugten in den Hauptrollen der geheimnisvollen Geschichte um eine vermeintlich vaterlose Familie. Mit dem Kinderstück Mojo des Londoner Ensembles Theatre-Rites, der Neuproduktion von Der Bauer als Millionär durch Thalias Kompagnons und der Aufführung von Kafkas Schloss durch dasselbe Ensemble konnte das Festspielpublikum 2012 gleich drei Figurentheater-Produktionen erleben. Zum Wettbewerb des Young Directors Project waren vier Produktionen eingeladen: Als Auftragswerk präsentierten Tick Tock Productions und die südafrikanische Regisseurin Princess Zinzi Mhlongo das Stück Trapped im Salzburger republic. Auf derselben Bühne war wenig später ein weiteres Auftragswerk zu sehen, Jakob Michael Reinhold Lenz, erarbeitet von der Kompanie Theater Montagnes Russes in der Regie von Cornelia Rainer. Die französische Regisseurin Gisèle Vienne, Gewinnerin des Awards 2012, zeigte ihr Stück This is how you will disappear und in der Eisarena des Volksgarten Salzburg die Produktion Éternelle idole. Außer Konkurrenz des Wettbewerbs war die südkoreanische Performance Group Tuida zu sehen, die mit Hamlet cantabile eine beeindruckende Neuinterpretation des Shakespeare’schen Hamlet-Stoffes auf die Bühne brachten.

Den Festspielsommer 2012 beschloss am 1. September der glanzvolle Salzburger Festspielball, mit dem die Tradition der Tanzfeste während des Festspielsommer wiederbelebt wurde. Nach einem Galadinner in der Residenz zogen die Ballgäste in die Felsenreitschule, wo nach einem Konzert von Daniela Fally und Markus Werba die 48 Debütantenpaare den Ball eröffneten. So begegneten sich am Ende der Salzburger Festspiele 2012 noch einmal Kunst und Fest. Oder wie es der Festspielredner 2012, Peter von Matt, in seiner Rede beschrieb: „Kunst und Fest sind nicht identisch, aber in ihrem Wesen verwandt.“