„Mutig und modern“ solle er schreiben, bat Giuseppe Verdi seinen Librettisten Salvatore Cammarano, nachdem er 1850 in dem Theaterstück El trovador von Antonio García Gutiérrez einen Stoff entdeckt hatte, der ihn zur Vertonung reizte. Zusammen mit einer kleinen Gruppe anderer Stücke – darunter auch Don Alvaro (1835), ein Werk des Herzogs von Rivas, das die Vorlage für Verdis La forza del destino lieferte – kennzeichnete El trovador das Aufkommen einer kurzlebigen, aber eigenständigen Variante spanischer Schauerromantik, die zwar der französischen Romantik Victor Hugos verpflichtet war, jedoch eine besondere eigene emotionale und spirituelle Prägung besaß. El trovador, oberflächlich betrachtet ein historisches Drama, das zur Zeit der aragonesischen Kriege im frühen 15. Jahrhundert spielt, handelt in Wahrheit von einer Krise der religiösen, sozialen und politischen Autorität, die sich in García Gutiérrez eigener Epoche auftat.
Sicher waren es die Kühnheit und Originalität des spanischen Stücks – seine bizarren Gestalten und Ereignisse, sein gesellschaftlich und moralisch provokanter Charakter –, die Verdis Interesse erregten. Zwei Männer, die nicht wissen, dass sie Brüder sind, liefern sich erbitterte Kämpfe, sowohl auf dem Schlachtfeld wie auch in der Liebe zu ein und derselben Frau. Der eine, Graf Luna, glaubt sich aufgrund seines adeligen Standes berechtigt, die Liebe der Gräfin Leonora für sich beanspruchen zu können; der andere, Manrico, durch eine Reihe widriger Umstände von der Zigeunerin Azucena an Sohnes statt großgezogen, ist Leonora in wahrer Liebe verbunden. Das Schicksal nimmt seinen Lauf.
Verdi bezeichnete den Stoff als „herrlich, fantastisch und mit gewaltigen Situationen“, und spornte den wenig begeisterten Cammarano am 4. April 1851 in einem Brief an: „Wenn es in der Oper weder Cavatinen noch Duette, Terzette, Chöre und Finali und so weiter gäbe und das Ganze nur aus einer einzigen Nummer bestände, würde ich das um so richtiger und passender finden. Aus diesem Grunde würde ich sagen, wenn Du es vermeiden könntest, mit einem Eingangschor zu beginnen (alle Opern beginnen mit einem Chor!), um statt dessen direkt mit dem Lied des Troubadours einzusetzen, und die ersten beiden Akten zu einem zu verschmelzen, dann wäre dies eine gute Sache.“
Diesen Gefallen tat ihm Cammarano nicht, im Gegenteil. Er lieferte ihm einen Entwurf, der mit seiner konventionellen Einteilung in einzelne Nummer sogar zurückfiel hinter den mit Rigoletto eingeschlagenen Weg einer Auflösung des alten Schemas. Dennoch erkannte Verdi offenbar nach anfänglicher Enttäuschung das Potenzial dieses Entwurfes im Hinblick auf den ungewöhnlichen Stoff. „[…] setz den Troubadour nur so fort, wie Du es in der Introduktion gemacht hast, und ich werde mich äußerst glücklich schätzen“, schrieb er seinem Librettisten knapp drei Monate später am 25. Juni.
In der Tat gestattete gerade die traditionelle Anlage des Librettos jene Modernität des kompositorischen Zugriffs, die dem Komponisten in der Folge gerne zum Vorwurf gemacht wurde. Auffällig ist die Zurücknahme der Rezitative, denn Verdi hat in seinem Trovatore – ganz im Sinne der spanischen Dramenvorlage – geschlossene und autonome Bilder gegeneinander geschnitten und auf eine kontinuierlich sich entfaltende Handlung verzichtet. Im Zentrum der einzelnen, streng geometrisch angeordneten Bilder stehen groß angelegte Erzählungen, die weit zurückliegende Vorkommnisse vergegenwärtigen und die Folie liefern für die von Verdi vorgeführten elementaren Gefühle der Liebe, der Eifersucht, des Hasses und der Rache, als deren Opfer sich die Protagonisten – blind ihren Leidenschaften ausgeliefert – erweisen: Leonora, die um der Liebe willen den Freitod wählt, die Zigeunerin Azucena, deren Rachsucht das Drama auslöst und jede ihrer Handlungen begleitet, Manrico, der in seiner Eifersucht die sterbende Leonora der Untreue bezichtigt, und Graf Luna, der in Unkenntnis der wahren Zusammenhänge von Hass getrieben den eigenen Bruder tötet.
In ständigem Wechsel der Perspektive fungiert Verdis Musik einerseits als neutraler Beobachter der Situationen, um dann unvermittelt ins Innerste der Figuren zu zoomen und deren Emotionen aufs Extremste auszuloten. Damit einher geht ein permanentes Überblenden von Vergangenheit und Gegenwart, das geradezu filmisch anmutet.
Aller negativen Stimmen zum Trotz eroberte sich die am 19. Januar 1853 im römischen Teatro Apollo uraufgeführte Oper, die das Mittelstück von Verdis sogenannter „trilogia popolare“ – Rigoletto, Il trovatore, La traviata – bildet, im Sturm das Publikum und nimmt bis heute im Gesamtschaffen des Komponisten einen hervorragenden Platz ein.
Ronny Dietrich