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PROGRAMMDETAIL

Wolfgang A. Mozart Così fan tutte

ossia La scuola degli amanti
Dramma giocoso in zwei Akten KV 588 von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)
Libretto von Lorenzo Da Ponte (1749–1838)

Mit deutschen und englischen Übertiteln

Dauer der Oper ca. 3 Stunden und 45 Minuten.

PREMIERE

  • 21. August 2013, 18:30 Uhr

AUFFÜHRUNGEN

  • 23. August 2013, 18:30 Uhr
  • 25. August 2013, 13:00 Uhr
  • 28. August 2013, 19:30 Uhr
  • 31. August 2013, 14:00 Uhr

SPIELSTÄTTE

Haus für Mozart

Programm drucken (PDF)

LEADING TEAM

Christoph Eschenbach, Musikalische Leitung
Sven-Eric Bechtolf, Regie
Rolf Glittenberg, Bühne
Marianne Glittenberg, Kostüme
Jürgen Hoffmann, Licht
Ronny Dietrich, Dramaturgie
Ernst Raffelsberger, Choreinstudierung

BESETZUNG

Malin Hartelius, Fiordiligi
Marie-Claude Chappuis, Dorabella
Martina Janková, Despina
Martin Mitterrutzner, Ferrando
Luca Pisaroni, Guglielmo
Gerald Finley, Don Alfonso

Mitglieder der Angelika-Prokopp-Sommerakademie der Wiener Philharmoniker,
Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Wiener Philharmoniker

ZUR PRODUKTION

So machen es alle – Frauen! Und nicht: „So machen es alle“ bedeutet Così fan tutte wörtlich übersetzt, denn „tutte“ ist der weibliche Plural. Etwas Bösartig-Friedloses schlägt einem auch heute noch aus dem Verdikt des misogynen Don Alfonso entgegen. Wiewohl die Männer sich im Verlaufe des Stückes nicht minder entlarven als die Frauen, wirkt der Titel immer noch giftig in uns nach. Da Ponte und Mozart haben miteinander drei Opern geschaffen: 1786 Le nozze di Figaro, 1787 Don Giovanni und 1790 Così fan tutte. Aber womöglich ist es nicht die Homogenität der Erzeugnisse der beiden Künstler, sondern eher ihre Unvereinbarkeit, die ihre gemeinsamen Arbeiten so reich und unerschöpflich gestalten. Da Ponte, ehemaliger Priester und verbannter Ehebrecher, ist ein Abenteurer und seinem Don Alfonso womöglich nicht so unähnlich. Ein Mann, der bis zu seinem Ende von bewundernswert zäher Diesseitigkeit erfüllt bleibt. Mozarts Genie scheint aus anderem Stoff gemacht zu sein.

Da Ponte liefert skandalöse, sarkastisch ironische, dem Tage verpflichtete und daher mitunter auch politische Texte für viele Komponisten, allein unter Mozarts Händen verwandeln sie sich zu unauslotbaren und tief menschlichen Konflikten und Angelegtheiten.
Don Giovanni, der Mörder, Wüstling und feudale Herr, erhält erst durch seine Musik eine Archetypisierung und ganz unpsychologische Erhöhung. Er ist ein Held, wenn auch jenseits der Moral. Er wird zur Ikone eines unabweisbaren Triebes.
Die sozialen Explosivstoffe des Figaro werden durch Mozart nicht zu Demarkationslinien im Geschlechter- und im Klassenkampf, sondern – nicht zuletzt durch das rhetorisch nicht sehr glaubhafte, aber musikalisch ungeheure „Contessa, perdono“ – zu einer utopischen Versöhnung zwischen Männern und Frauen, Dienern und Herren.
Così fan tutte schließlich ist ein Konstatieren und Verzeihen unserer Unberechenbarkeit in der Liebe. Und bezieht sich, trotz des Titels, auf Frauen und Männer. Keine Verurteilung und keine Anklage erhebt der Komponist. Ob dies vom Librettisten in diesem Ausmaß gemeint oder erwünscht war?
Jedenfalls bleiben die widerständigen Impulse der Da Ponte’schen Dichtungen gültig und bilden damit den beständigen Beunruhigungshorizont gegen die Mozart’schen Tiefenperspektiven, zu denen wohl weder wir noch Da Ponte fähig sind.
Alle drei Opern tragen den Gattungsbegriff Dramma giocoso im Titel. Mozart selbst schrieb in seinem „Verzeichnüss aller meiner Werke“ hinter Così fan tutte sogar Opera buffa. Zu Recht und mit Absicht: Diese Stücke haben einen burlesken Humor, Situationskomik und dramaturgischen Aberwitz. Oder anders gesagt: Sie sind auch sehr komisch! Diese Komik muss ihnen erhalten bleiben, denn nur im Lachen zeigt sich – zugleich mit ihrer dunklen, ihrer abgründigen Gültigkeit – auch ihr herausragendes Charaktermerkmal: die Generosität.
Der Aufklärung folgt die Revolution. Das Ancien Régime geht unter und das Gesicht Europas wird sich vollständig verändern. In diesen in jeder Beziehung „unsicheren Zeiten“ entstehen alle drei Opern und sind daher oft und zu Recht als politisch beschrieben worden.
Dennoch: Figaro, ein Emporkömmling, will nicht die Gesellschaft ändern, sondern Erfolg in ihr haben. Die Liebe ist hier – noch – der große Gleichmacher, nicht die Guillotine. Im Entlarven liegt Da Pontes, im Verstehen und Verzeihen Mozarts Subversivität.
Da Ponte mag im Don Giovanni den Schlagschatten des Komturs und das höllische Zwielicht genutzt haben, um Libertinagen an den Augen der Zensur vorbei zu schmuggeln. Mozart aber scheint noch eine barocke Vorstellung von „Himmel und Hölle“ zu besitzen, obwohl in Giovannis dreimal wiederholtem „No!“ der ganze Stolz eines Individuums gegen jede Fremdbestimmung und wider alle Obrigkeit – sogar die Obrigkeit Gottes – sichtbar wird.
Don Giovanni ist nicht durch Polizei und Kirche beizukommen: Diesen Mann muss der Teufel holen, wir können es nicht.
Seine Höllenfahrt vollzieht Da Ponte allerdings weniger in dem Glauben an das plutonische Jenseits als aus Pflichtschuldigkeit gegenüber den berühmten literarischen Vorlagen. Mozart dagegen lässt uns wahrhaftig Verdammnis ahnen. Wider alle moderne Vernunft und Erkenntnis.
Così fan tutte schließlich ist die einzige der drei Opern, die sich keinem existierenden Stoff verdankt. Trotzdem ahnt man, dass Da Ponte sich von Pierre Carlet de Marivaux (1688–1763) hat inspirieren lassen. Die dramaturgisch labor- und modellhaft geratene Selbstvergewisserung auf intimstem Gebiete, beeinflusst durch die Comédie italienne, verderbt durchs Ancien Régime und illusionslos durch die unerbittlichen Befunde der Aufklärung: Diese seltsame Melange, wie sie etwa das Stück La Dispute bietet, hat hier unverkennbaren Einfluss genommen.
Dreimal haben Da Ponte und Mozart sich also mit der Liebe beschäftigt: Im Figaro mit der Liebe als gesellschaftlicher Spreng- und Bindungskraft, im Giovanni mit der Liebe in Gestalt der unstillbaren Sexualität und in Così fan tutte mit dem Verlust der Unschuld: der Liebe, die aus dem Paradiese vertrieben wird.

Sven-Eric Bechtolf 




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